Wenn mich ein Pferd besonders intensiv zu dem Zusammenhang zwischen dem Organsystem und dem Bewegungsapparat der Pferde belehrt hat, dann ist es wohl mein eigenes. Aber auch die Pferde, die ich im Alltag durch Behandlungen oder Unterricht begleiten darf, zeigen deutlich auf, dass das System (Pferde-) Körper auf allen Ebenen verbunden ist und dass sich diese Ebenen gegenseitig bedingen.
Der Bewegungsapparat und die inneren Organe
Zum Bewegungsapparat des Pferdes gehören alle Strukturen, die dazu beitragen, dass der Körper sich fortbewegen kann. Dazu gehören im großen und ganzen Muskulatur und Faszien, Sehnen und Bänder und natürlich das Skelettsystem des Pferdes.
Diese ermöglichen es in ihrer Gesamtheit, dass der Pferdekörper sich fortbewegen kann. Gesteuert werden die Bewegungen vom Nervensystem. Du kannst dir das Zentrale Nervensystem als Steuerungszentrale des Körpers vorstellen, wo alles, was im und um den Körper herum passiert, überwacht wird, um auf alle möglichen Reize reagieren zu können. Registriert das Nervensystem zum Beispiel, dass der Pferdehuf gerade auf einen großen Stein tritt, so können sofort alle beteiligten Strukturen, wie Muskel, Faszien, Sehnen, Bänder und Gelenke (mit Knochen als Bestandteile) auf einen möglichen Balanceverlust reagieren und sich an den veränderten Untergrund anpassen, sowie die Gliedmaße stabilisieren.
Diese beiden Fähigkeiten – sich mühelos fortbewegen zu können und adäquat auf Reize aus der Umwelt reagieren zu können – sind für die Pferde besonders wichtig, da es ursprünglich ihr Überleben in der Herdengemeinschaft als Fluchttier gesichert hat.
Auch, wenn die Pferde, die uns heute begleiten theoretisch über eine geschützte Umgebung verfügen, ist es trotzdem elementar für deren innere und äußere Balance, dass sie sich auf ihren Bewegungsapparat und ihre Wahrnehmung über ihr Nervensystem verlassen können.
Die zweite große Aufgabe des Bewegungsapparates ist der Schutz der inneren Organe und des zentralen Nervensystems. Der Schädel des Pferdes bietet beispielsweise eine schützende „Hülle“ für das Gehirn. Der Brustkorb wiederum beheimatet und schützt lebenswichtige Organe, wie Herz und Lunge des Pferdes. Die gesamte Wirbelsäule schützt das Rückenmark, welches sich seinen Weg durch die Wirbel hindurch bahnt.
Du ahnst vielleicht schon, dass es also sehr wichtig für alle innen liegenden Organe und vor allem das Rückenmark ist, dass die Wirbelsäule und das restliche Skelettsystem stabil und in ihrer natürlichen Form bleiben können.
Ein Ziel im gemeinsamen Training mit dem Pferd sollte die Stabilität der Wirbelsäule und des Fasziensystems sein. Diese bieten die Grundvoraussetzung für einen gesunden Bewegungsapparat und Schutz für das Körpersystem. Foto: Janne Martens Fotografie
Die inneren Organe des Pferdes machen nicht selten mehrere 100 kg Gewicht aus, je nach Pferdegröße. In jedem Fall nehmen sie viel Raum im Inneren des Pferdes ein und wollen mit ihrem Gewicht natürlich auch sicher getragen werden. Das passiert vor allem durch Faszien, Muskulatur und Bandaufhängungen, die sie mit dem Skelettsystem verbinden. Ein Großteil der inneren Organe ist dadurch an der Wirbelsäule „aufgehangen“ und mit ihr verbunden.
Vor allem die Lunge und der Darm des Pferdes nehmen sehr viel Raum im Brust- und Bauchraum ein und sind mit mehreren Bereichen der Wirbelsäule in Kontakt.
Das Zwerchfell als Verbindung
Das Zwerchfell ist der wichtigste Atemmuskel des (Pferde-) Körpers. Es hat sowohl muskuläre, als auch sehnige und fasziale Anteile und zieht vom Ende des Brustbeins (Sattelgurtlage) kuppelförmig hoch in den Bereich der hinteren Brustwirbelsäule und vorderen Lendenwirbelsäule. Das Zwerchfell trennt Lunge und Herz von den restlichen Bauchorganen des Pferdes. An der vorderen Seite des Zwerchfells schmiegt sich also die Lunge daran an. Auf der hinteren Seite steht es direkt mit Magen und Leber in Kontakt. Somit ist das Zwerchfell eine wichtige Verbindungen zwischen dem Bewegungsapparat und dem Organsystem. Zusätzlich ist es in mehrere Faszien- und Muskelketten eingebunden und spielt eine wichtige Rolle für die Kernstabilität des Körpers.
Spannend wird es, wenn wir uns ansehen, wo der Reiter auf dem Pferderücken sitzt: Im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule, wo vor allem Lunge, Zwerchfell, Magen und Leber als zentrale Elemente angeordnet sind. Es ist also wichtig, dass das Fasziensystem des Pferdekörpers intakt und gut aufgespannt ist, damit die Wirbelsäule und der Brustkorb mit den genannten innen liegenden Strukturen stabil und geschützt sind und mit dem Reitergewicht gut zurecht kommen.
Mögliche Ursachen für ein übermäßig / dauerhaft angespanntes Zwerchfell können zum Beispiel dauerhafter Stress (!) oder Schmerzen, Funktionsstörungen von Lunge, Magen, Darm (oder anderen Organen) oder Formen einer Trageerschöpfung sein.
Dauerhafter Stress wirkt sich immer auch auf das Magen- und Darmsystem des Pferdes aus. Dieser kann zum Beispiel durch Unruhe in der Herde, unpassende Fütterung, aber auch Balanceverlust durch körperliche Einschränkungen verursacht werden. Stress ist ein sehr subjektiver Einflussfaktor und wird für jedes Individuum anders ausgelöst. Wir sollten genau hinschauen, ob unser Pferd in seinem Alltag Stress empfindet.
Praxistipp:
Ist das Zwerchfell dauerhaft angespannt, dann führt der erste Weg über eine Ursachenfindung und -lösung, sowie begleitend idealerweise über eine Manuelle Behandlung.
Du kannst aber unbedingt auch selbst positive Impulse für den Körper und das Zwerchfell deines Pferdes setzen, egal zu welchem Zeitpunkt.
Dazu lade ich dich ein, deine eigene Atmung zu beobachten und zu schauen, ob du dein Zwerchfell wahrnehmen kannst. Es trennt auch bei dir Brust- und Bauchhöhle und schmiegt sich von unten an deinen Rippenkasten mit deinem Brustbein an.
Ein vermehrtes Bewusstsein und Gefühl für deine Atmung und dein Zwerchfell, tiefe Atemzüge und ein bewusstes Ein- und Ausatmen im Beisein deines Pferdes oder auch im gemeinsamen Training / beim Reiten kann die Spannung deines Zwerchfells harmonisieren und öffnet auch deinem Pferd die Möglichkeit dazu. Häufig reagieren die Pferde selbst mit einem tiefen Atemzug gefolgt von geräuschvoller Ausatmung oder mehrfachem Abschnauben. Die Reaktionen können aber auch subtiler sein.
Die Rolle der Faszien
Faszien schaffen die Verbindung aller Strukturen im Pferdekörper und sorgen unter anderem für Vernetzung, Kommunikation und Stabilität. Diese Verbindung über die Faszien besteht eben auch zwischen den einzelnen Organen oder zwischen einem Organ und Elementen des Bewegungsapparates, wie zum Beispiel der Wirbelsäule.
Das Konstrukt aus Faszie und dem, was die Faszie einhüllt (z.B. Muskel, Nerv, Organ…) kannst du dir wie bei dieser Orange vorstellen. Das Fruchtfleisch stellt zum Beispiel Muskelfasern dar, die vom Fasziengewebe – den weißen Bestandteilen – unterteilt und umwoben, aber dadurch auch verbunden werden.
Ein stabiles, gut aufgespanntes Fasziensystem ist in der Lage, den Pferdekörper (genau wie unseren) zu stabilisieren. Mein Wallach zum Beispiel ist recht empfindlich, was sein Magen- und Darmsystem angeht. Sind diese Bereiche geschwächt oder in der Funktion eingeschränkt, dann macht es sich nach kurzer Zeit in der Statik seiner Wirbelsäule sichtbar, sodass Teilbereiche der Wirbelsäule instabil werden und zum Beispiel eine leichte Absenkung zeigen. Je stabiler sein Fasziensystem ist, desto weniger stark beeinflusst eine leichte Störung auf Organebene die Statik seiner Wirbelsäule.
Das zeigt zwei Dinge:
1 – Die Statik der Wirbelsäule hängt eng mit der Funktion der inneren Organe zusammen. Gibt es also eine sichtbare oder fühlbare Veränderung der Form der Wirbelsäule des Pferdes, so sollten wir genau schauen, ob die inneren Organe in dem Fall einen Einfluss darauf haben oder ob sich die Ursache zum Beispiel in einer Überlastung des Muskel- und Fasziensystems durch andere äußere Faktoren, wie einem unpassenden Sattel oder einer zu geringen Tragkraft finden lässt.
2 – Ein gesundes und stabiles, gut aufgespanntes Fasziennetz schützt den Bewegungsapparat des Pferdes und ist zudem für eine natürliche Funktion der inneren Organe und des Bewegungsapparates nötig.
Letztlich bedingen sich die Gesundheit des Faszienkörpers und die der inneren Organe stets gegenseitig, sodass wir immer beide Elemente für ein gesundes und stabiles Körpersystem unterstützen und betrachten sollten.
Mehr zu den Themen Faszien, Bewegungsapparat und was du deinem Pferd selbst Gutes tun kannst, um es in seiner Gesunderhaltung zu unterstützen gibt es in meinem EBook zu lesen.
Wenn du lieber persönlichen Input zu diesen Themen haben möchtest, dann komme ich gerne für einen Termin zu dir und deinem Pferd.
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Liebe Hannah,
Besonders erleuchtet hat mich, was du über das Zwerchfell geschrieben hast. Mir war nicht bewusst, wie eng die Verbindung zwischen inneren Organen und der Wirbelsäule ist. Danke für den spannenden Artikel!????
Liebe Steffi,
vielen Dank für dein Feedback 🙂
Ja, es ist faszinierend oder? Die Verbindungen innerhalb des Körpers sind so komplex und vielseitig.
Sehr interessant. Schade, dass Pferde nicht singen können. Wir Menschen können unser Zwerchfell durch singen lösen. Meine Tinkerstute reagiert auch sehr positiv darauf, wenn ich singe und entspannt sich spürbar.
Oh ja, du hast recht! Dafür ist der Galopp super. um das Zwerchfell zu lösen!