Die Grundlage einer guten Behandlung ist für mich der Dialog mit dem Pferd.
Es ist wie ein gutes Gespräch: Beide hören dem jeweils anderem zu, nehmen sich gegenseitig war und geben sich gegenseitig Raum.
Dieser Raum kann von der behandelnden Person bewusst gestaltet werden, sodass sich Pferd und Mensch wohlfühlen und eine angenehme Atmosphäre für die Therapie entsteht. In der Gestaltung dieses Raumes spielen die Bedürfnisse des Pferdes eine große Rolle und dürfen den Ablauf einer Behandlung zu einem großen Anteil formen, um dem Pferd letztlich die Impulse geben zu können, die es gerade für seinen Heilungsverlauf braucht.
Traumata
„Alte“ Verletzungen, die im Gewebe vorliegen bzw. gespeichert sind schränken den Pferdekörper immer zu einem gewissen Anteil ein. Das kann zum Beispiel ein verheilter Muskelfaserriss sein, eine zurückgebliebene Narbe oder auch eine Blockierung, die schon seit einiger Zeit besteht.
Die Auswirkungen auf körperlicher Ebene können sehr unterschiedlich sein. Das Gewebe kann an dieser Stelle einfach empfindlich sein oder immer mal wieder schmerzen, die Körperwahrnehmung kann an dieser Stelle aber auch herab gesetzt sein oder der Körper hat aufgrund dessen in ein ungünstiges Bewegungsmuster gefunden.
Genau so hat aber auch die emotionale Ebene immer ihren Anteil an einem Trauma und beeinflusst den Heilungsverlauf und die Behandlung des Pferdes häufig zu einem großen Anteil.
Gerade hierfür spielt das Sehen und Achten der Bedürfnisse des Pferdes während der Behandlung bzw. der Therapie eine große Rolle. Sie sind die Wegweiser auf dem Weg des Heilungsprozesses. Denn letztlich ist die eigene Heilung auf den verschiedenen Ebenen, auf denen sie stattfinden kann, sehr individuell in ihrem Verlauf.
Eine Frage, die sich während einer Behandlung immer wieder als wertvoll erwiesen hat, lautet: „Was brauchst du gerade?“
Vom Beobachten der Mimik und des Verhaltens des Pferdes, über die Informationen der geschulten Hand und des Auges des Therapeuten über das körperliche Befinden bis hin zum Bauchgefühl und der Intuition können diese als Puzzleteile zu einer ehrlichen Antwort führen.
Das gibt mir zum Beispiel Hinweis auf die Prioritäten, die für die Behandlung gesetzt werden dürfen. Und nicht selten sind diese Prioritäten Ursprung der mentalen und emotionalen Ebene.
Grenzen
Was wären deine Wünsche an einen guten Therapeuten? Und was macht für dich eine gute Behandlung aus?
Welche Art von Berührung ist dir angenehm? Ich bin mir sicher, dass ich 10 verschiedene Antworten bekommen würde, wenn ich 10 verschiedene Menschen diese Frage stelle.
Gerade in der Schmerzwahrnehmung und dem Zulassen von Berührungen haben jedes Pferd und jeder Mensch unterschiedliche Grenzen, die unbedingt wahrgenommen werden sollten. Denn dadurch kann gegenseitiges Vertrauen und ein entspannter Rahmen entstehen, der für eine Behandlung unabdingbar ist. Wenn wir für unsere Pferde einen Therapeuten kommen lassen, hat ja normalerweise kein aktives Entscheiden des Pferdes für den Therapeuten stattgefunden, so wie es passieren würde, wenn wir uns selbst für eine Behandlung bei einem Therapeuten entschließen. Deshalb ist das Schaffen einer vertrauensvollen Atmosphäre mit der Gewissheit ganzheitlich wahrgenommen und einfühlsam behandelt zu werden in diesem Fall noch wichtiger.
In diesem Zusammenhang ist es für mich elementar, nicht einfach die Grenzen des Pferdes zu überschreiten. Entspannung und Vertrauen wären so nicht länger gegeben. Wenn ich einem Pferd mit dem Wunsch entgegentrete, dass es meine eigenen Grenzen bitte wahrnehmen und achten soll, dann bekommt es genau dasselbe Versprechen von mir entgegen gebracht. Auch aus ethischer Sicht ist das Achten der Bedürfnisse und Grenzen des Pferdes also eine Herzensangelegenheit.
Manchmal können wir dem Pferd aber auch helfen, seine Grenzen zu verschieben.
Ein typisches Beispiel wäre hier, wenn ein Pferd durch vorherige Behandlungen oder andere Situationen erfahren hat, dass diese mit Schmerzen verbunden sind. Der erste Schritt geht für mich hier immer über ein Wahrnehmen und Achten dieser Grenze aus Respekt und Achtung dem Individuum mir gegenüber. Ich möchte schließlich auch nicht gegen meinen Willen über meine Grenze hinweg berührt werden.
Sobald sich mit der Zeit ein vertrauensvoller Rahmen entwickeln konnte, kann ich dem Pferd aber erklären, dass eine Behandlung auch schmerzfrei verlaufen kann und ich meine Hand sanft an seine Bedürfnisse anpasse. Und diese Bedürfnisse ändern sich durchaus im Verlauf einer Behandlung und formen diese immer wieder neu. Häufig wird dieses rücksichtsvolle Erklären und Wahrnehmen von Grenzen sehr dankbar angenommen und mit Vertrauen einem Zulassen der Behandlung quittiert seitens des Pferdes.
Weisheiten der Pferde
Pferd sind von Natur aus wahre Meister in Sachen Körpergefühl und Körperwahrnehmung.
Während einer Behandlung kann man ihr authentisches Feedback auf Handgriffe und Lösen von Einschränkungen, aber auch Schmerzwahrnehmung sehr gut beobachten. Die Äußerungen sind sehr individuell, manchmal leiser, manchmal lauter, aber sie sind immer da.
Es kann so heilsam sein, Pferde dabei zu beobachten, wie sie ihre Bedürfnisse selbst wahrnehmen und achten. Vor allem Pferde, die in einer konstanten Herde in artnahen Haltungsbedingungen leben dürfen sind meist gute Lehrmeister zum Thema Achtsamkeit sich selbst und anderen gegenüber.
Ich denke die Pferde können uns da wunderbare Vorbilder sein, wenn wir sie lassen.
Mehr zum Thema achtsame Pferdemassage und spannendes Grundwissen zum Pferdekörper gibt es in meinem neuem eBook <3
Weitere Pferdeweisheiten gibt es in diesem Blogartikel von Kati. Dieser Blogartikel ist der erste Teil einer Reihe über die Bedürfnisse des Pferdes in den verschiedenen Facetten der Zeit, die wir gemeinsam mit den Pferden verbringen. Die nächsten Artikel wird es auf Katis Blog zu lesen geben.