Oft ist es sehr empfehlenswert, die Ergebnisse einer therapeutischen Behandlung durch gymnastizierendes Training zu begleiten. Denn ungünstige Bewegungsmuster, die vielleicht zu den vorhandenen Blockierungen und anderen Befunden geführt haben, verschwinden nicht von heute auf morgen. Durch das gymnastizierende Training können neue Bewegungsmuster erklärt werden und so können Behandlung und Bewegungstherapie Hand in Hand arbeiten.
Gerade die Gymnastizierende Bodenarbeit als Bewegungstherapie kann in vielen Fällen eine nicht zu erwartende Bewegungs- und dadurch Lebensqualität wieder möglich machen.
Nun tummeln sich allerdings nicht selten Sorgen und Druck gepaart mit dem guten Willen, dass es dem Pferdepartner schnell wieder besser geht auf der Seite des Pferdebesitzers. Leichtigkeit und eine entspannte Trainingsatmosphäre werden da gerne mal von den einnehmenden Sorgen verdrängt.
Eine Balance zu finden, zwischen dem Ziel, dem Pferd mit seinen körperlichen Problemen zu helfen und gleichzeitig auch die Eigeninitiative und Freude des Pferdes anzusprechen, kann das (Reha-) Training sehr bereichern und zu einer schönen gemeinsamen Zeit machen. Denn was bringt es euch denn, wenn das Pferd schon das Weite sucht, wenn der Kappzaum wieder zum Einsatz kommt?
Genau deshalb ist es in meinen Augen so wichtig, diese Sorgen nicht zu einnehmend lassen zu werden und sich den positiven Fokus zu bewahren. Denn so können wir den Pferdepartner auch auf der mentalen Ebene abholen, was meiner Erfahrung nach mindestens genauso wichtig ist, wie ein gut durchdachtes Rehatraining auf körperlicher Ebene.
Futterlob kann hier ein Schlüssel zur Motivation und Kommunikation sein. Foto: Janne Martens Fotografie
Folgende Fragen können euch dabei helfen, die gemeinsame Zeit im Training positiv und bereichernd auf allen Ebenen zu gestalten:
→ Was macht mein Pferdepartner besonders gerne?
Nicht jedes Pferd hat eine hohe Grundenergie und bewegt sich gerne schnell. Jemanden in eine Form pressen zu wollen, in die er einfach nicht reinpasst, ist frustrierend für beide Seiten und wird nie zum Ziel führen. Stattdessen die gegebenen Fähigkeit des Pferdes aufzugreifen ist oft der Schlüssel zur Motivation des Pferdes und für das Pferd ein Weg hinaus aus dem Gefühl, nicht gut genug zu sein. Dass zu hohe Ansprüche solche Gefühle im Pferdepartner auslösen können, wird häufig nicht bewusst wahrgenommen.
Die Arbeit in den ruhigen Gangarten oder im Stand bieten hier ebenfalls vielfache Möglichkeiten zur Gymnastizierung. Das können zum Beispiel die Erarbeitung von Stellung und Biegung, Geweichtsverlagerung, propriozeptives Training auf verschiedenen/ instabilen Untergründen, Wippentraining oder Balanceübungen mit Körpertargets sein. Gerade auch für die Arbeit im Stand ist das alles wunderbar geeignet.
Wippentraining zum Beispiel bietet eine wunderbare Art der Gymnastizierung im Stand und ist für vielfältige körperliche Themen förderlich. Wippe: Steigerwald.T
Oder hat dein Pferd generell eine höhere Grundenergie und Bewegungsfreude? Auch das lässt sich wunderbar aufgreifen und kann beispielsweise durch Stangen und Matten als Bodenelemente koordinativ fördernd gestaltet werden.
→ Hat mein Pferd eine Lieblingsübung?
Die Lieblingsübung meines Ponys ist es zum Beispiel, rückwärts zu gehen. Dabei geht er rückwärts auf meine flache Hand zu, bis er sie berührt. Das haben wir vor einiger Zeit mithilfe eines Schweiftargets erarbeitet, wobei die Grundidee von ihm ausging. Wir bauen das regelmäßig in unsere Einheiten mit ein, weil ich weiß, wie gerne er das zeigt. Nach und nach haben wir ein wenig mit seiner Haltung experimentiert, so hat es nun auch gymnastizierenden und koordinativen Wert für uns. Worauf es mir aber ankommt, ist, seine Motivation und den Stolz aus dieser Übung in unser gemeinsames Training mitzunehmen.
So kannst du zwischendurch, gerade wenn ihr etwas anspruchsvolles erarbeitet, bewusst Pausen mit einer Lieblingsübung einbauen.
Ihr habt noch keine Lieblingsübung? Auch eine Übung, die zum Beispiel an ein Objekt, wie eine Stange oder andere Bodenelemente geknüpft ist, kann den Fokus des Menschen und des Pferdes nach einer anspruchsvolleren Trainingssequenz weg vom „Müssen” und hin zum Ausprobieren verlagern. Der Mensch nimmt so seinen Fokus weg vom Analysieren des Pferdes und bei vielen Pferden (wenn auch nicht in allen) wird so deren Neugier angesprochen.
Weg vom Müssen, hin zum Ausprobieren. Manchmal hilft ein Perspektivenwechsel. Foto: Kati Westendorf
→ Wie hoch sind meine eigenen Ansprüche gerade?
Hohe Ansprüche auf Seite des Menschen werden vom Pferdepartner gerne auf individuelle Art quittiert. Ich sehe viele Pferde darauf mit Introvertiertheit oder einem inneren Abschalten reagieren, andere äußern das zum Beispiel extrovertierter mit Wut oder Anspannung.
Kann ich meine Ansprüche für diese Einheit herunter schrauben? Was gibt mir mein Pferd gerade für Feedback? Das wären Fragen, die man sich auf diese Reaktionen hin stellen kann. Eine Pause, eine Übergang zu einer Lieblingsübung oder einer Übung, die zu eurer Komfortzone gehört kann hier ebenfalls den Druck rausnehmen. Es muss nicht immer alles funktionieren. Ihr könntet für diese Einheit einfach bei Bewegungsabläufen bleiben, die ihr gut kennt oder wo du weißt, dass sie deinem Pferdepartner leicht fallen.
Denn seien wir mal ehrlich, für mich fühlt es sich überhaupt gar nicht bereichernd an, mich in ein Fitnessstudio zu setzen und die Wand anzustarren, während ich da an Geräten sitze und meine Übungen mache. Ich bin dort nie mit einem guten Körpergefühl rausgegangen, denn auf mentaler Ebene hat mir das einfach nichts gegeben. Für mich persönlich muss ich in meiner Bewegung ein Ziel haben.
Das kann bei einer anderen Person aber schon wieder ganz anders aussehen. Ich kenne ebenso Menschen, die gerne Gerätetraining machen und davon profitieren.
Bewegungstherapie ist in meinen Augen individueller, als häufig gedacht und kommt ohne Patentrezept. Sein Pferd zu fragen und wirklich offen für dessen Meinung zu sein lohnt sich immer und bereichert die gemeinsame Zeit erfahrungsgemäß sehr.
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Rund um das Thema Pferderücken und dessen Rolle in der Rehabilitation, kannst du in diesem Artikel mehr erfahren.
Wenn du nun noch weiterlesen möchtest über die Themen Motivation und freiwilliges Vorwärts, dann kann ich dir diesen Artikel sehr ans Herz legen.