Wenn wir reiten, dann nehmen wir auf einem sehr sensiblen Teil des Pferdekörpers platz – der Pferdewirbelsäule. Um unser Pferd dabei langfristig gesund erhalten zu können, ist es wichtig zu wissen, wie der Pferderücken denkt und arbeitet.
Denn der Rücken der Pferde ist von Natur aus nicht dafür gemacht, einen Reiter zu tragen. Ich möchte dich deshalb dazu einladen, einen Blick auf den Rücken und die Körperkonstruktion der Pferde zu werfen.
Die Rückenmuskulatur des Pferdes
Die Rückenmuskeln befinden sich vor allem rechts und links neben den Dornfortsätzen der Wirbelsäule und füllen diesen Platz aus. Die Dornfortsätze sind das, was wir oben als fühlbaren Teil der Wirbelsäule wahrnehmen können.
Beim Jungpferd fällt es oft flach ab neben der Wirbelsäule, da hier die Rückenmuskeln noch nicht sehr ausgeprägt sind. Auch in der Tiefe gibt es kleine Rückenmuskeln, die für die Feineinstellung und Stabilität der Wirbel zuständig sind. Die Muskeln, die du teilweise sehen und fühlen kannst, weil sie eher oberflächlich liegen, sind die langen Rückenmuskeln.
Man nennt diese Muskeln auch Rückenstrecker. Dazu gehört vor allem der M. Spinalis, etwas tiefer liegen der M. Longissimus dorsi und der M. Multifidus. Wenn sie anspannen, strecken sie den Rücken – dabei wird er leider nicht lang gestreckt, wie man glauben könnte, sondern die Dornfortsätze der Wirbelsäule nähern sich an und der Pferderücken wird festgestellt – er „hängt eher durch“ statt sich aufzuwölben.
Die Rückenmuskeln arbeiten gegensinnig zu den Bauch- und Brustmuskeln, sie sind sogenannte Antagonisten. Spannen die Rückenmuskeln an, müssen die Bauchmuskeln loslassen. Sind die Bauchmuskeln aktiv, müssen sich die Rückenmuskeln bis zu einem gewissen Grad dehnen und “loslassen”.
Wir wünschen uns also wohlgespannte, sich wechselnd anspannende und loslassende Rückenmuskeln, damit die Bauch- und Brustmuskeln schön arbeiten können und die Wirbelsäule in eine gesunde Haltung bringen können.
Wenn der Pferderücken schmerzt
Die Rückenmuskeln neben der Wirbelsäule sollten weich und unauffällig aussehen bzw. sich anfühlen. Stechen sie wir harte Stränge hervor, sind sie meist dauerhaft angespannt.
Pferde mit mangelnder Tragfähigkeit und anderen körperlichen Problemen helfen sich so zur Balance und versuchen so zu kompensieren. Gibt es irgendwo zu viel Schmerzreize auf dem Rücken, wie ein unpassender Sattel oder zu langes Reiten, dann spannen die Rückenmuskeln automatisch an, um zu schützen. Blöd nur, dass dann die Bauchmuskeln nicht mehr arbeiten können.
Eine bekannte Spätfolge von Dauerspannung der Rückenmuskeln und sich dadurch annähernde Dornfortsätze der Wirbel ist Kissing Spines = sich küssende Wirbel. Dabei kann es zu schmerzhaftem Kontakt der Dornfortsätze kommen mit Entzündungen und später zur Verknöcherung dieser. Aber auch Blockierungen der Wirbelgelenke und chronische Entzündungen in dem Bereich sind typisch. Ein „Zucken“ beim Berühren im Rückenbereich deutet immer auf Schmerzen hin!
In solchen Fällen kann es oft sinnvoll sein, das Pferd therapeutisch durch eine Behandlung begleiten zu lassen, oft kommt der Pferdekörper nämlich nicht mehr allein aus diesem Schema heraus.
Manchmal sieht man ein „Loch“ im vorderen Bereich der Sattellage, oft im Zusammenhang mit einem unpassenden Sattel. Da musste dann der Spinalis-Muskel dem Sattel platz machen – das Muskelgewebe wurde abgequetscht und ist dann atrophiert – die Muskelzellen sind abgestorben, weil sie von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten wurden. Meist wird erzählt, der Trapezius-Muskel ist dort atrophiert. Das stimmt auch zum Teil, dieser Muskel ist aber so dünn, dass wir das gar nicht sehen können – es ist leider hauptsächlich der Rückenmuskel der dem Sattel zum Opfer gefallen ist.
Was wir für eine gesunde Rückenmuskulatur der Pferde tun können
Insgesamt sollen die Rückenmuskeln normal gespannt (ich nenne es gerne “wohlgespannt”) und kontraktionsfähig sein. Sie stabilisieren die Wirbelsäule, was in gewissen Maßen gut und notwendig ist. Es ist normal, dass sie während des Reitens auch mal für längere Zeit anspannen, manchmal kann sich der Körper nicht anders helfen und es ist ein natürlicher Bewegungsablauf, der erst einmal Schutz und Stabilität bietet. Es sollte nur nicht dauerhaft so sein. Das lockere Anspannen und Loslassen der Rückenmuskeln lässt im Schritt die typische Wellenbewegung durch die Wirbelsäule laufen (von oben gut sichtbar). Im Trab ist eine höhere Spannung normal, der Rumpf muss stabilisiert werden.
Um die Rückenmuskeln in einen guten Zustand zu bringen, sollen sie erst einmal locker arbeiten können. Die langen Rückenmuskeln sind nämlich Bewegungsmuskeln und keine Tragemuskeln. Ein Vorschwingen der Hinterbeine und freies Halspendeln/ angepasste Dehnung des Halses lassen die Wirbelsäule aufwölben und die Rückenmuskeln dehnen. Wechselnde Längsbiegung und alles, was die Lastaufnahme der Hinterhand fördert, wie Übergänge zwischen den einzelnen Gangarten oder auch zwischen den Seitengängen Schulterherein und Kruppeherein fördern entspannt arbeitende Rückenmuskeln und aktive Tragemuskulatur.
Wichtig ist aber, auf die Eigenbalance des Pferdes zu achten und nicht in zu schnellem Tempo zu arbeiten – das aktiviert nicht die Hinterhand, im Gegenteil. Ein ausgeglichenes Tempo lässt den Reiter ob vom Rücken oder vom Boden aus leichter in den Pferdekörper fühlen und auch die Muskulatur muss bei langsamer ausgeführten Bewegungen vermehrt arbeiten.
Im Gelände kann man zum Beispiel auch bergauf oder unterschiedliche Untergründe einbauen. Das regt die aufwölbende Muskulatur zur Aktivität an.
Um den Rücken langfristig zu entlasten, müssen also die Tragemuskeln aktiv arbeiten – das sind vor allem der Serratus-Muskel und die Brust- und Bauchmuskulatur.
Die Haupttragemuskulatur des Brustkorbs und damit des Reiters (ein Teil der Serratusmuskulatur).
Wenn der Pferderücken an das Reitergewicht (auch nach Reitpausen) gewöhnt wird, sollte man die Tragzeit langsam steigern, um Muskelkater und Schmerzreize zu vermeiden und Regeneration zu ermöglichen! Die gymnastizierende Bodenarbeit bietet hier eine notwendige Basis und schöne Möglichkeit, dem Pferd ein gesundes Bewegungsmuster zu erklären, damit es das unter dem Reiter auch umsetzen kann.
Die Rückenmuskeln sollten also vor allem locker arbeiten können – so können die Tragemuskeln ihre Arbeit tun und die Rückenmuskeln kommen ganz nebenbei in eine gute Form und bilden eine schön ausgeprägte Rückenregion.
Und da das Glück der Erde ja bekanntlich auf dem Rücken der Pferde liegt – es verdoppelt sich, wenn auch der Pferderücken glücklich bleibt.